Rico Gulda, Christian Plettenberg, Thomas Muster, © Carlos Suárez
Prominent besetzter Talk im Wiener Konzerthaus: Thomas Muster trifft Rico Gulda

von Wiener Konzerthaus
Unter dem Motto «Tennis trifft Musik» tauschten sich Ende Oktober der Tennisstar Thomas Muster und der Leiter des Künstlerischen Betriebsbüros des Wiener Konzerthauses Rico Gulda in einem von Christian Plettenberg moderierten Gespräch vor einem höchst interessierten Publikum im Wotruba-Salon des Konzerthauses über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Karrieren in diesen Bereichen aus. Eingeladen waren zu dieser von unserem Sponsor Mercedes-Benz initiierten Veranstaltung fördernde Mitglieder und Mäzene des Wiener Konzerthauses, die im Anschluss an das spannende Gespräch auch gemeinsam zu den Viertelfinalspielen des Erste Bank Opens fuhren, um Tennis der Weltklasse live zu erleben.
Einleitend wunderte sich Christian Plettenberg, weswegen es üblich sei, von Hochleistungssportlern zu sprechen, nicht aber von Hochleistungsmusikern, worauf Rico Gulda antwortete, es sei wohl keine Frage, dass Spitzenmusiker «in ihrem Beharren und ihrer Ausdauer, ihrem Willen, der Konzentration und dem nötigen Talent» erfolgreichen Sportlern nicht nachstehen, jedoch würden Qualitätsmerkmale in den beiden Bereichen eben anders gewertet. Gulda: «Fast Unmögliches wird möglich, wo der Wille gelebt wird.» Die körperliche und geistige Leistung eines Musikers werde aber durchaus gewürdigt, etwa wenn sich das Publikum wundert, wie sich ein Solist alleine die unzähligen Noten der Werke einprägen könne. «Die spirituelle Aussagekraft von Kunst lässt sich jedoch schwer in Worte fassen.»
Das Gespräch entwickelte sich weiter und streifte den Bereich des Beginns in der frühen Kindheit. Thomas Muster berichtete, dass er im Alter von knapp sieben Jahren mit dem Tennissport begann – als Einziger seiner Familie. Das Abschlussturnier des ersten Sommerkurses 1975 hat Muster noch genau in Erinnerung. Als erster Kandidat absolvierte er die gefragten Ballspiele und ließ dem Trainer keine Ruhe mehr: «Führ ich noch? Führ ich noch?» fragte der kleine Thomas nach jedem Durchlauf – und er sollte Erster bleiben. Der damals errungene Pokal steht noch heute neben dem Pokal seines Grand-Slam-Titels bei den French Open 1995.
«Heutzutage werden viele Kinder zum Sport getragen» kritisierte Muster die Mentalität vieler Eltern, ihren Kindern allzu viel abnehmen, und sie nach der Trainerstunde sofort wieder nach Hause chauffieren. «Kinder brauchen Zeit, selber auszuprobieren, was sie in der bezahlten Stunde gelernt haben. Die Wiederholung wäre wichtig.» Er selbst habe seine Tage am Tennisplatz verbracht, stundenlang gegen eine Wand Tennis gespielt und ohne Scheu auch Fremde angesprochen, denn nach 17 Uhr waren die Plätze des kleinen Klubs in der Steiermark eigentlich den erwachsenen Spielern vorbehalten. «Spielen Sie mit mir, bis Ihr Partner kommt?» fragte er als Zehnjähriger die Spieler, um nach einigen Bällen nicht ohne Genugtuung zu konstatieren: «Na, Sie haben sich das wohl etwas anders vorgestellt?» Er sei «anstrengend gewesen, richtig penetrant», ein Besessener. Einen Anschub seitens seiner Eltern oder Trainer habe es nie bedurft, im Gegenteil habe er mit viel Durchsetzungsvermögen seinen Traum, Profispieler zu werden verfolgt. «Es war ein No Go, sowohl für meine Eltern wie auch für die Schule, mit 15 zu sagen, man will Sportler werden. » Um diesem Berufsbild, welches utopisch erschien, nachgehen zu können habe Muster fünf Mal die Schule gewechselt.
Plettenberg fragte, ob es bei Rico Gulda vorgezeichnet gewesen sei, dass er als der Sohn des großen Friedrich Gulda ebenfalls Klavier zu spielen lerne?
«Bei uns war die Szenerie quasi umgekehrt: Das Instrument war stets präsent, und die Dauerbeschäftigung mit ihm Tag und Nacht war das Selbstverständliche. Die inneren Fragen dazu, ob das wirklich wichtig ist, was wir da tun, die ich mir heute stelle - das ist anstelle der absoluten (naiven) Gewissheit getreten, dass es so ist. Zum Glück kann ich diese Fragen auch heute positiv beantworten: es ist wichtig!» So lernte Gulda seit dem 5. Lebensjahr das Instrument, welches seinen Vater so berühmt gemacht hatte. Friedrich Gulda habe in den entscheidenden Jahren des Jugendlichen nicht als Pianist Einfluss auf ihn geübt, sondern im Sinne der «Formatierung der sozialen Gewissheiten».
Die von Muster geforderte Wiederholung des Gezeigten, das selbstständige Spielen sei im Bereich der Musik etwas ganz Normales berichtete Gulda. Das tägliche Üben am Instrument geschehe immer alleine. «Das Üben kann dir niemand abnehmen. Es heißt doch, zum Erfolg gehört 10 Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration.» Und die Musiker, die in ihrem Bereich zu den Besten der Welt gehören wie etwa Martin Grubinger oder Thomas Hampson (deren gemeinsames Konzert am Abend des Gespräches auf dem Programm des Wiener Konzerthauses stand, Anm.), seien sicher auch auf ihre Art «Besessene, die Tag und Nacht trainieren, nur nennt man dies in der Musik eben anders.»
06.11.2015
um
12:25
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Allgemein, Interview, Hinter den Kulissen
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